Interview 

5 Learnings aus dem Aufbau eines CX-Programms im Finanzbereich

Von Emanuel Walter, Specialist Customer Experience, Interhyp AG

Emanuel Walter

Als Deutschlands größter Vermittler privater Baufinanzierungen entwickelt die Interhyp Gruppe maßgeschneiderte Finanzierungslösungen für ihre Kunden. Emanuel Walter, Specialist Customer Experience, hat den Aufbau des Bereichs CX bei dem Unternehmen begleitet. In diesem Beitrag teilt der Experte seine fünf größten Learnings aus der Entwicklung eines CX-Programms in der Finanzbranche. 

 

1. Culture eats strategy, data and skills for breakfast

Am Anfang möchte man immer möglichst schnell loslegen: schnell Daten sammeln, schnell in die Umsetzung gehen. Was aber immer wieder deutlich wird: Die Unternehmenskultur entscheidet darüber, ob CX als Freund oder Feind im Unternehmen gesehen wird. Im Bereich Customer Experience läuft nicht immer alles optimal, es gibt immer durchaus berechtigtes, negatives Kundenfeedback, das es konstruktiv aufzunehmen gilt. Dieses Feedback muss an die jeweiligen Abteilungen weitergeleitet werden. Es braucht dabei eine Kultur, in der zusammengearbeitet wird und in der negatives Feedback als Chance wahrgenommen wird, um die Kundenzufriedenheit und damit die wirtschaftliche Performance des Unternehmens zu verbessern. Ansonsten wird das Programm nicht funktionieren, denn es bilden sich Fronten und CX wird als “Besserwisser” gesehen, der sich gegen die anderen Teams ausspricht.

Bei der Interhyp haben wir ein tolles Team aus motivierten Leuten, den XM Champions, zusammengestellt, die die gesamte Customer Journey abdecken und klar für bestimmte Touchpoints verantwortlich sind. Dabei haben wir auf eine Mischung aus fachlichen und methodischen Experten gesetzt, die in engem Austausch miteinander stehen. 

 

2. Nimm die maximale Implementierungszeit an – und verdopple deine Schätzung

Beim zeitlichen Aufwand spielt das Thema Schrems II eine wichtige Rolle – hier zuckt der ein oder andere beim Lesen vielleicht etwas zusammen. Aber in der Finanzbranche, in der wir mit vielen sehr sensiblen Daten arbeiten, ist es etwas, was unbedingt beachtet werden muss.

Schremms II ist ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs, dass das Privacy Shield-Abkommen, welches den einfachen Datentransfer in die USA ermöglichte, für unwirksam erklärt. Dadurch können Daten nur dann in Drittländer außerhalb der EU oder des EWR übermittelt werden, wenn das Sicherheitsniveau der DSGVO nicht untergraben wird. In der Praxis bedeutet das: Zusatzverträge, und zwar für jedes einzelne Datenfeld. Das erhöht natürlich den Zeitaufwand, was eingeplant werden muss.

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3. Daten sind super – aber super wertlos in der Schublade

In einem CX-Podcast von Peter Pirner sagte ein Gast: “Die meisten Unternehmen haben kein Erkenntnisproblem, die meisten Unternehmen haben ein Umsetzungsproblem.” Diese Aussage finde ich sehr passend. Darin stecken zwei wichtige Tatsachen: Erkenntnisse gewinnen ist leichter als sie umzusetzen und Erkenntnisse haben keinen messbaren ROI. 

 

Die zentrale Herausforderung im Bereich Customer Experience ist nicht das Sammeln von Erkenntnissen, es ist die Umsetzung von tatsächlichen Maßnahmen und die Generierung eines ROI. 

Unser Team hat einen Prozess entwickelt, bei dem zunächst die Journeys analysiert und bestimmte Bedürfnisse und Moments of Truth herausgearbeitet werden. Danach werden implizite und explizite Messungen, z.B. mit Contentsquare, an den jeweiligen Touchpoints durchgeführt und Analysen werden transparent im Team geteilt. Wichtig ist aber, hier nicht aufzuhören. Um hier nicht zu stoppen, arbeiten wir mit Hypothesenkarten. Wir führen kontinuierlich Tests durch und arbeiten mit gerichteten Hypothesen mit klaren Variablen, die auch einen ROI bedeuten. Unser langfristiges Ziel ist es die Geschwindigkeit für diese Experimente zu steigern, mehr Tests durchführen zu können und somit schneller lernen. 

 

4. Umfragen sind toll – sie sind aber kein CX-Programm

Warum ist dieses Thema nun besonders für die Finanzbranche wichtig? In der CX kann man zwei Arten von Daten erheben: was passiert und warum etwas passiert. Meistens liegt der Fokus bei zweiterem auf Umfragen. Das wird aber zum Problem, wenn du nicht die hohen Transaktionsvolumina hast wie im E-Commerce. Wir etwa vermitteln Baufinanzierungen mit einem durchschnittlichen Warenkorbwert von mehreren Hunderttausend Euro und es handelt sich um Entscheidungen, die meist nur einmal im Leben getroffen werden. Damit haben wir nicht das nötige Volumen, um die meisten Fragen anhand von Befragungen beantworten zu können. Wir brauchen also mehr Metriken und eine kluge Zusammenarbeit mehrerer Metrik-Typen, die aufeinander einzahlen, um den bereits erwähnten ROI zu schaffen. 

 

Ein Modell mit dem ich gerne arbeite ist das nachfolgende von Forrester. Hier gibt es drei Arten von Metriken: Interaction Metrics, Perception Metrics und Outcome Metrics. 

Bei Interaction Metrics wir gemessen, was während der Customer Experience passiert, z.B. Website Fehler oder Wartezeiten. Perception Metrics zeigen, was als Konsequenz aus dieser Interaktion passiert, was Kunden fühlen und denken. An dieser Stelle sind Umfragen wichtig. Die Outcome Metrics sagen aus, was die Kunden dann resultierend aus dieser Experience tun, hierunter fallen z.B. Conversion Rate oder die Churn Rate. So hat man auch den ROI-Bezug, den es braucht, um das CX-Programm zu rechtfertigen. Die drei Metriken müssen immer in einem kausalen oder korrelativen Zusammenhang zueinander stehen. 

 

5. Silos sind der Endgegner kundenzentrierten Handelns

Mein Chemie Lehrer hat immer gesagt: Chemie ist nicht alles, aber alles ist Chemie. So ähnlich ist es auch mit der Customer Experience.  Jede Interaktion im Unternehmen zahlt irgendwie auf die CX ein, das CX-Team mit den XM Champions kann aber nicht allein für Gedeih und Verderb im Unternehmen verantwortlich sein. Deshalb ist CX auch die Abteilung mit den meisten Schnittstellen und diese Daten-, Prozess- und Abteilungsschnittstellen müssen funktionieren für ein erfolgreiches CX-Programm. Denn ohne Schnittstellen gibt es kein CX. Wenn Datenschnittstellen nicht funktionieren, haben wir eine unvollständige oder unschlüssige Datenbasis für unsere Arbeit. Wenn Abteilungen nicht miteinander arbeiten, wird es keine stringente und konsitstente CX geben, da jeder nur innerhalb seines eigenen Verantwortungsbereiches bleibt. Wenn es keine Prozessintegration gibt, wird zwischen dem Gewinnen der Erkenntnisse und der Umsetzung nichts passieren und der Prozess wird nicht laufen, damit aus den Daten auch etwas gemacht wird. 

 

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